Simultankirchen – Kirchen mit besonderer Geschichte
Schöne alte Kirchen gibt es in vielen Gegenden Bayerns. Viele Kirchen in der Oberpfalz haben jedoch eine ganz besondere Geschichte, die sie einzigartig macht. Sie waren Simultankirchen und wurden jahrhundertelang von evangelischen und katholischen Gemeinden gemeinsam genutzt und verwaltet – einige davon bis heute. Ein kulturelles Erbe, das es zu bewahren gilt. Der Simultankirchen-Radweg macht die spannende Geschichte dieser Gotteshäuser er-fahrbar und lädt zu neuen Entdeckungen in der Oberpfalz ein.
Eine fortschrittliche Entscheidung
Die Simultankirchen verdanken ihre Entstehung der fortschrittlichen Entscheidung eines Landesfürsten: Pfalzgraf Christian August wollte ab dem Jahre 1652 in seinem Fürstentum Sulzbach für dauerhaften Frieden zwischen den Konfessionen sorgen.
Er glaubte, dass Gottes Liebe allen Menschen gilt und war der Religionskämpfe des Dreißigjährigen Krieges müde.
Im sogenannten Kölner Vergleich mit seinem Vetter Erbprinz Philipp Wilhelm von Neuburg, legte er deshalb den simultanen Gebrauch der Kirchen fest. Dies bedeutete: Beide Konfessionen an einem Ort teilten sich alle Kirchen und Friedhöfe, ja das ganze kirchliche Eigentum je zur Hälfte. Dies bezog sich auch auf das Einkommen der Pfarrer und die Lasten, die mit dem Unterhalt der kirchlichen Gebäude verbunden waren. Jede Veränderung, z.B. bei der Ausstattung der Kirche, durfte nur mit Zustimmung der anderen Konfession geschehen.
Wohngemeinschaften unter einem Kirchendach
Die religiöse Toleranz, die Pfalzgraf Christian August mit der Einführung des Simultaneums zeigte, stieß bei seinen Untertanen jedoch nicht immer auf Gegenliebe. Vor allem in Orten, wo nur Gläubige einer Konfession lebten, regte sich Widerstand. Aber auch im alltäglichen Zusammenleben unter einem Kirchendach kam es immer wieder zu Streitigkeiten. Dies ging so weit, dass die Regierung im Jahre 1730 ein Verbot erließ, im Wirtshaus über Religion zu reden, wie es aus Floß verbürgt ist.
Um das Wohnrecht im Pfarrhaus wurde häufig gelost. Die Gottesdienstzeiten und das Läuten der Glocken boten immer wieder Anlass für Konflikte genauso wie die Einrichtung der Gotteshäuser.
Bekanntes Beispiel dafür ist der Taufstein in Sulzbach. Wie auch im nahegelegenen Illschwang durften ihn die Evangelischen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts nicht mehr nutzen, da „im Taufstein das Weihwasser aufgehoben wird und die Protestanten kein Weihwasser brauchen“. Ein Deckel mit Vorhängeschloss versperrte ihnen den Zugang.
Als daraufhin auch die Evangelischen ein Vorhängeschloss anbrachten, hatte das zur Folge, dass über 100 Jahre keine Taufe mehr in der Stadtpfarrkirche gefeiert werden konnte.
In manchen Kirchen gab es zwei Altäre oder zumindest unterschiedliche Altarbilder für jede Konfession. Mithilfe einer Drehkonstruktion konnte beispielsweise in Erbendorf das jeweils passende Altarbild zum Gottesdienst gezeigt werden. Im Stadtmuseum von Sulzbach-Rosenberg kann heute der Nachbau eines „Kurbel-Altares“ besichtigt werden.
Simultankirchen heute
Um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert lösten sich die meisten Simultaneen auf, weil die verbesserte Wirtschaftslage Kirchenneubauten ermöglichte. Die Gemeinde, welche die alte Kirche behielt, musste der ausziehenden Gemeinde ihren Anteil auszahlen. Dies brachte nicht wenige in große finanzielle Bedrängnis. Oftmals zogen auch Einrichtungsgegenstände in das neue Gotteshaus um. Die meisten ehemaligen Simultankirchen sind nun in evangelischem Besitz.
Heute gibt es in der Oberpfalz noch neun Simultankirchen in kirchlichem Besitz. Es sind die Kirchen in Altenstadt bei Vohenstrauß, Eschenfelden, Frankenhof, Fürnried, Götzendorf, Illschwang, Kürmreuth, Niederärndt und Wildenreuth. Vier weitere Gotteshäuser sind mittlerweile in städtischem oder privatem Besitz, werden aber von beiden Konfessionen genutzt.
In den Orten mit einer „simultanen“ Geschichte herrscht heute ein gutes ökumenisches Miteinander. Es ist gewachsen aus einem langjährigen Wissen und Verständnis um die Verschiedenheit der Konfessionen.